Multimedia in der technischen Lehre
(Marco Nordmann, Tamer Çatalkaya)

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Die Produktion multimedialer Lehre ist sehr zeitaufwändig, teuer und überfordert oft normale technische Institute. Als langfristiges Forschungsziel ging es um die Vereinfachung dieses Prozesses, indem der Zeitaufwand und die für die Produktion notwendigen multimedialen und informatischen Kompetenzen minimiert werden.

Für eine schnelle und kostengünstige Produktion von multimedialen Lernprogrammen hat die Abteilung E.I.S. ein Referenzmodell entwickelt, das ständig weiter verbessert wird. Es vereinfacht sowohl die Integration der mit Autorenwerkzeugen produzierten, multimedialen Inhalte zu standardkonformen Online- und Offline-Lernprogrammen und dient darüber hinaus als Framework, indem es eine einheitliche Navigation und Oberfläche bereit stellt. Dadurch werden die Realisierung immer wiederkehrender Routineaufgaben und somit die Produktionszeit deutlich verkürzt.

Die Abteilung E.I.S. hat die klassische Ausbildung im Chip- und System-Entwurf in Vorlesung, Übung und Praktikum ergänzt durch multimediale Animationen, Lernprogramme etc. Dieser 1996 eingerichtete Schwerpunkt wurde bisher von den Studierenden begeistert aufgenommen. Seitdem wurden zahlreiche Multimedia-Praktika, Seminare und Studien-, Projekt- und Diplomarbeiten zu diesem Thema durchgeführt. Die dabei entstandenen Multimedia-Darbietungen werden intensiv in der Vorlesung eingesetzt. Experimente haben gezeigt, dass Studierende mit multimedialen Lernprogrammen zwar zeiteffizienter lernen, gleichwohl aus sozialen und emotionalen Gründen auf die motivierende Präsenzveranstaltung mit Dozent und Skript nicht völlig verzichten wollen. Daher geht es auf absehbare Zeit um ein Blended Learning, also die Integration konventioneller Präsenzlehre mit effizienten eLearning-Methoden und Multimedia-Technologien.

 
     

Projekt LAS: Ein Referenzmodell für die Entwicklung SCORM-kompatibler Lernprogramme
(Marco Nordmann)

     
 

Die Produktion von Online- und Offline-Lernprogrammen ist typischerweise monolithisch auf die Verwendung eines einzelnen Autorenwerkzeuges wie Director, Powerpoint, Flash, ActiveSlide, Authorware usw. beschränkt. Diese bieten zwar einerseits zahlreiche unterstützende Funktionen an, um dem Autor die Produktion des Lernprogramms zu erleichtern, sie legen ihn andererseits jedoch auch auf die Verwendung dieses Autorenwerkzeuges fest. Es ist jedoch wünschenswert, für jede Seite oder Seitengruppe eines Lernprogramms das optimale Autorenwerkzeug verwenden zu können, z.B. Authorware für einen interaktiven Test, Flash für anspruchsvolle Animationen oder Powerpoint für einfache, statische Seiten mit Bild und Text. Außerdem wünscht sich der Autor eines Lernprogramms, dass er dieses möglichst ohne weitere Anpassungen und Einschränkungen sowohl offline als auch online veröffentlichen kann - online natürlich kompatibel zu den gängigen Lernplattformen.

Entwicklungsablauf

Bild 1: Entwicklungsablauf zur Produktion und Wiedergabe von SCORM kompatiblen Lernprogrammen mit dem LAS

Das Projekt Learning Aplication Suite (LAS) hatte zum Ziel, die genannten Probleme zu lösen. Es besteht einerseits aus dem LA-Builder, der die einzelnen, mit beliebigen Autorenwerkzeugen produzierten Seiten (genauer die Reusable Learning Objects (RLO)) zu einem Sharable Content Object Reference Model (SCORM) -kompatiblen Content-Package verbindet und die Veröffentlichung entweder als Online- oder Offline-Lernprogramm mit einem einzigen Mausklick ohne weitere Anpassungen ermöglicht. Dabei übernimmt der LA-Builder auch die Erzeugung der durch den SCORM-Standard festgeschriebenen XML-Dateien sowie die hierarchische Organisation der Ressourcen aller RLO und schließlich den Export als ZIP-komprimiertes Content Package nach dem SCORM 1.2 Standard. Das Lernprogramm ist somit kompatibel mit fast allen gängigen Lernplattformen wie Ilias, CLIX, NetLearn, Moodle, dotLRN uvm.

LA-Player

Bild 2: Produktion eines Lernprogramms mit dem LA-Player

Das LAS beinhaltet außerdem den LA-Player, der beliebige SCORM-kompatible Lernprogramme offline abspielen kann und dabei dem Lerner eine einheitliche Navigation sowie weitere Zusatzfunktionen wie Glossar, Volltextsuche, Tooltips, Personalisierung, Verlaufs- und Lesezeichenfunktion usw. zur Verfügung stellt. Der Player verwendet dabei die Render-Engine des Internet Explorers und ist somit nicht auf die spezielle Unterstützung der Autorenwerkzeuge beschränkt: Jedes Autorenwerkzeug, das die mit ihm produzierten Lerninhalte direkt in HTML (z.B. Word, Powerpoint usw.) oder indirekt durch die Verwendung eines Browser-Plug-In für den IE (z.B. Flash, Director, Java usw.) exportieren kann, kommt als Autorenwerkzeug für die RLO in Frage. Dabei kann jedes RLO des Lernprogrammes mit einem anderen geeigneten Autorenwerkzeug erstellt worden sein.

LA-Player

Bild 3: Lern- und Navigationsoberfläche des LA-Players

Zwei weitere Komponenten ergänzen bisher das LAS:

  • Die automatische Update-Funktion sorgt dafür, dass sowohl die Lernprogramme als auch die Komponenten der LAS auf dem neuesten Stand bleiben. Beim Start des Players wird geprüft, ob eine Verbindung zu einem Update-Server im Internet besteht. Im Erfolgsfall werden die lokal vorhandenen Dateiversionen mit denen auf dem Sever verglichen und eine Liste der zu aktualisierenden Dateien erzeugt. Diese können dann automatisch runtergeladen und installiert werden, bevor das Lernprogramm abgespielt wird. Kleine Veränderungen an einem Lernprogramm haben dabei nicht zur Folge, dass das gesamte Content Package ausgetauscht werden muss, stattdessen werden die darin enthaltenen Dateien einzeln aktualisiert, um das Download-Volumen so gering wie möglich zu halten.
  • Die Plug-In-Analyse, -Integration und -Installation stellt sicher, dass die von einem Lernprogramm benötigten Browser-Plug-Ins auf dem Rechner, auf dem das Lernprogramm ausgeführt werden soll, auch installiert sind. Anderenfalls werden diese vor dem Start des Lernprogrammes installiert, womit sichergestellt wird, dass der Lernprozess nicht während der Ausführung des Lernprogrammes abbricht, weil ein für eine Seite notwendiges Plug-In fehlt. Darüber hinaus hat der Autor des Lernprogramms die Möglichkeit, die für das Lernprogramm benötigten Plug-Ins bereits bei der Veröffentlichung mit in das Content-Package zu integrieren, um so die mit dem LA-Builder erzeugten Lernprogramme vollständig offline-tauglich zu halten. Der LA-Player hat somit auch ohne eine Verbindung zum Internet die Möglichkeit, alle benötigten Plug-Ins zu installieren.

Das LAS wird ständig weiterentwickelt: Aktuell arbeiten wir an der Umsetzung des aktuellen SCORM-2004-Standards, welcher im Unterschied zu seinem Vorgänger nun auch eine komplexe Sequenzierung ermöglicht, also die Möglichkeit, die Reihenfolge, in der die LOs abgespielt werden, von bestimmten Ereignissen abhängig zu machen, z.B. vom Ausgang eines Tests. Damit wird aus einem linearen ein verzweigter Lernpfad. Für die Realisierung der Sequenzierung und Navigation wird dem Autor des Lernprogramms ein Editor zur Verfügung gestellt, mit dessen Hilfe er die komplexen Regeln des SCORM 2004 Standards auf einfache Weise aufstellen kann.

 
     

Lernprogramme im Chip- und System-Entwurf
(Marco Nordmann)

     
 

Hardware-Beschreibungssprachen stehen im Zentrum des Schaltungsentwurfs. Zu der von uns eingesetzten Sprache VERILOG wurden grundlegende Phänomene in der Vorlesung erarbeitet, während der praktische Einsatz in den Übungen und im Praktikum trainiert wird.

Mit VERILOGisch haben wir ein umfassendes multimediales Lernsystem zur Hardware-Beschreibungssprache VERILOG geschaffen, dessen besonderes Merkmal die Integration eines realen VERILOG-Simulators auf einer "Experimentierwand" ist.

VERILOGgisch

Bild 4: Das CBT VERILOGgisch

Wie auch im realen Entwurf wird der Bedeutung der Logiksynthese Rechnung getragen durch einen eigenständigen Lernmodul LogiSyn. Feinheiten der Logiksynthese können die Güte der Schaltung entscheidend beeinflussen. Mit multimedialen Darstellungen können wir komplexe und dynamische Vorgänge besonders anschaulich vermitteln.

LogiSyn

Bild 5: Das CBT LogiSyn

Es folgt eine kleine Auswahl aus insgesamt etwa 40 Lernprogrammen:

   CBT Bildschirm-Controller A (20,5 MB, Zip)
   CBT Bildschirm-Controller B (15,3 MB, Zip)
   CBT Testschaltung BILBO (10,5 MB, Zip)
   CBT Logiksynthese (25,5 MB, Zip)
   CBT Statecharts (18,9 MB, Zip)
   CBT Parallelität und Zeit (27,3 MB, Zip)

 
     

E-Learning Academic Network Niedersachsen (ELAN)
(Tamer Çatalkaya)

     

Von 2002 bis 2004 wurde der erste Teil des Projekts E-Learning Academic Network Niedersachsen (ELAN) durchgeführt. Das Hauptziel dieser Kooperation zwischen der Universität Hannover, der Technischen Universität Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover sowie dem Learning Lab Lower Saxony (L3S) besteht in der nachhaltigen und wirtschaftlich tragfähigen Entwicklung von eLearning-Services und -Angeboten in Niedersachsen.

Das Konzept beruht auf einem Kompetenz- und einem Inhaltsbereich. Während sich der Kompetenzbereich um den Aufbau einer Infrastruktur kümmert, übernimmt der Inhaltsbereich die Entwicklung von thematisch breitgefächerten, qualitativ hochwertigen und stark nachgefragten Inhalten.

Die Abteilung E.I.S. nahm am ELAN-Projekt im Inhaltsbereichs 1 zur Informatik, Informationstechnik und Elektrotechnik teil. Das Projekt wurde wie beantragt erfolgreich durchgeführt. Das universelle Referenzmodell für den zeit- und kostengünstigen Entwurf komplexer Lernmodule mit Sprache unter Authorware liegt als Prototyp vor. Es wurde praktisch erprobt, weiter entwickelt und gepflegt. Es wurde allen ELAN-Teilnehmern kostenlos angeboten. Die Ergebnisse werden auch im Rahmen von ELANs Best-Practice vorgestellt. Das Referenzmodell wurde angewendet bei der Entwicklung einer interaktiven multimedialen Lernumgebung mit gesprochenen Kommentaren für die Hardware-Beschreibungssprache VERILOG und ihre Synthese im Chip- und Hardware-Entwurf. Zwei Prototypen zur Hardware-Beschreibungssprache VERILOG und zur Chip-Synthese konnten vorzeitig fertig gestellt werden.

     

Die VeriBox
(Tamer Çatalkaya)

     

Hardware-Beschreibungssprachen stehen im Zentrum des Schaltungsentwurfs. Zu der von uns eingesetzten Sprache VERILOG werden grundlegenden Phänomene in der Vorlesung erarbeitet, während der praktische Einsatz in den Übungen und im Praktikum trainiert wird. Mit der VeriBox entsteht ein umfassendes multimediales Lernsystem zur Hardware-Beschreibungssprache VERILOG. Das multimediale Lernsystem VeriBox soll das Erlernen von VERILOG in Vorlesung und Übung effizienter und attraktiver machen und auch das Selbststudium fördern.

Wie auch im realen Entwurf ist die Bedeutung der Logiksynthese in der VeriBox besonders hervorgehoben. Feinheiten der Logiksynthese können die Güte der Schaltung entscheidend beeinflussen. Mit multimedialen Darstellungen können wir komplexe und dynamische Vorgänge besonders anschaulich vermitteln (Bild 6).

Screenshot

Bild 6: Zeitkontrollen multimedial animiert

Die Lernumgebung der VeriBox umfasst die Bereiche Einführung, grundlegende Konzepte, Beispiele und Aufgaben, Logiksynthese und Lexikon. Interaktivität steht im Vordergrund der VeriBox.

In der Einführung wird zunächst ein allgemeiner Überblick über den Einsatz von Hardware-Beschreibungssprachen gegeben und auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu konventionellen Programmiersprachen hingewiesen. Ein erstes aussagekräftiges Vorab-Beispiel vermittelt dem erfahrenen Programmierer bereits eine Menge intuitiver Vorstellungen.

In den grundlegenden Konzepten werden wichtige und schwierige Phänomene vermittelt wie Parallelität und Zeit, Modularisierung und Hierarchie, Mixed-Mode-Darstellung, Verhalten und Struktur.

Der eigenständige Teil Logiksynthese unterscheidet zwischen synthetisierbaren und nicht synthetisierbaren VERILOG-Konstrukten. Er geht auf die Auswirkung von Modellierungsstilen auf das Syntheseergebnis ein und vermittelt einen Einblick in die Arbeit mit dem Design-Compiler von Synopsys.

Ein weiteres Ziel ist es, das CBT-Programm mit den professionellen CAD-Tools zum Chip-Entwurf zu koppeln. Das Lernprogramm soll also nicht nur selbständig arbeiten, sondern auch als Hilfe beim Umgang mit den CAD-Werkzeugen eingesetzt werden.

Eine typische Anwendung ist eine Fragestellung vom Lernprogramm, die nur mit dem Einsatz eines VERILOG-Simulators gelöst werden kann. Das ausgewertete Simulationsergebnis wird dann als Antwort in das Lernprogramm eingegeben.

Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass multimediale Lernprogramme die klassische Lehre ergänzen und attraktiver machen (Blended Learning). Diese Beobachtung wurde in mehreren Feldtests belegt.

Demo zur VeriBox (5,5 MB, Zip)

     

Feldtest zur Logiksynthese: ein Experiment zum Einsatz von Lernprogrammen
(Tamer Çatalkaya)

     

Wir untersuchen die studentische Akzeptanz von Lernprogrammen und die Effizienz und Auswirkung auf das Lernen. Dazu haben wir das Kapitel Logiksynthese als Teil der Vorlesung Einführung in den Chip- und System-Entwurf für die Studie ausgewählt. Hierzu wurde das Lernprogramm LogiSyn implementiert (Bild 7). Es enthält den multimedial aufbereiteten Vorlesungsstoff. Lernprogramm und Vorlesung werden durch separat betreute Rechnerübungen ergänzt.

Screenshot

Bild 7: Synthese-Ablauf mit auswählbaren Komponenten

Insgesamt 63 Teilnehmer wurden zum Thema Logiksynthese zufällig in drei Klassen eingeteilt. Klasse A bekam das Vorlesungsskript und das Lernprogramm. Klasse B bekam nur das Skript. Beide Klassen A und B haben auch an der Vorlesung im Hörsaal teilgenommen. Klasse C dagegen hat ohne Vorlesung nur mit dem Lernprogramm gearbeitet. Die Klassen durften kein Wissen oder Material austauschen. Alle Teilnehmer wurden gebeten, die Arbeitszeiten und die Methode (Skript, Lernprogramm, Vorlesung) genau zu protokollieren (Bild 8).

Das gelernte Wissen wurde in einer 25-minütigen Klausur erfasst. Hierzu wurde vorgegeben, dass die Studenten sich wie zu einer Diplomprüfung vorbereiten sollten. Das gesamte Experiment war freiwillig und anonym. Die tatsächliche Vorbereitungszeit wurde in die Auswertung einbezogen.

Diagramm

Bild 8: Lerneffizienz